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Wir kooperieren „für eine Agrarkultur, die diesen Namen wieder verdient“

Die Schweisfurth Stiftung im Interview mit Stephan Illi über die Entwicklungen im Ökolandbau, Transparenz und Kooperation als Schlüssel für die Zukunft, die Projekte wir-kooperieren und Kulturland Genossenschaft sowie Wünsche an die nächste Bundesregierung.

 

Herr Illi, Sie arbeiten seit 1993 mit landwirtschaftlichen Betrieben an der Umstellung und Weiterentwicklung hin zu einem ökologisch und sozial verantwortlichen Landbau. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation im Öko-Landbau ein? Befinden wir uns auf dem richtigen Weg?

Stephan Illi: Aus meiner Sicht ist ja ein Weg immer dann richtig, wenn man schaut wo er hinführt, daraus lernt und dann neu bewertet, ob das die richtige Richtung ist. Der Ökolandbau ist die nachhaltigste Form der Landbewirtschaftung. Die Entwicklung ist aber die gleiche wie im konventionellen Landbau: die meisten Betriebe wachsen, spezialisieren sich, bauen Vielfalt ab und kleinere hören auf. Da im Hintergrund dieselben Marktmechanismen wirken, also z.B. Preisdruck aus internationalen Märkten, Intransparenz über die Herkunft der Waren und extreme Konkurrenz über den gesamten Wertschöpfungskreis, ist das ja irgendwie auch logisch.

Wo liegen die größten Hürden auf dem Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft?

SI: Eine große Hürde ist für mich die Intransparenz: Viele Verbraucher wissen fast nichts mehr über Landwirtschaft und lassen sich durch die schönen Bildchen der Werbung beeindrucken. Konsumenten wieder näher an die landwirtschaftliche Erzeugung heranzuführen sehe ich als eine sehr große Aufgabe von Menschen, die wirklich etwas verändern wollen. Außerdem müssen wir Kooperationsmodelle entwickeln, statt ewig an Konkurrenz zu denken. Wenn wir nicht lernen, auf allen Ebenen besser zusammenzuarbeiten, zum Wohl von Mensch und Natur, geht aus meiner Sicht die oben genannte Entwicklung einfach so weiter.

Die Schweisfurth Stiftung unterstützt seit 2014 das Projekt wir-kooperieren bei dem Sie Betriebsgemeinschaften beraten und Strategien für eine erfolgreiche Zusammenarbeit entwickeln. Wie läuft das Projekt?

SI: wir-kooperieren ist ein spannendes Projekt, weil es eine gute Grundlage für Zusammenarbeit schafft. Es ist auf die Zusammenarbeit in Betriebsgemeinschaften auf Höfen ausgerichtet, aber auch auf alle anderen Arten der Kooperation übertragbar. Besonders schön ist, dass es von Höfen gut aufgegriffen wird, und auch einige Öko-Berater damit arbeiten.

Transparenz, Verständnis und Vertrauen aufbauen, das sind drei Schlagworte aus ihrem „Werkzeugkasten“ für eine harmonische Zusammenarbeit. Wie erreichen Sie das mit Ihren Projektpartnern?

SI: Als wichtig sehe ich das Bemühen, ehrlich und gemeinsam an den genannten Punkten zu arbeiten. Transparenz herzustellen braucht einerseits technische Voraussetzungen, also z.B. für alle zugängliche Daten und Dateien und andererseits methodische Voraussetzungen: Die Gemeinschaften sollten sich regelmäßig treffen und es dabei schaffen, auch über Unangenehmeres zu reden. Wir müssen lernen uns als Menschen mit Bedürfnissen, großen Potentialen und eben auch Schwächen wahrzunehmen. Wenn diese beiden Dinge gelingen, entsteht unserer Erfahrung nach Vertrauen.

Sind Netzwerkpartnerschaften erfolgreicher als „Einzelkämpfer“?

SI: Ganz sicher nicht grundsätzlich, denn wenn viel gestritten wird, kostet das unendlich viel Kraft. Aber das Potential von gemeinschaftlich verantworteten Betrieben und Netzwerkpartnerschaften ist größer, einfach weil man sich gegenseitig stärken, beraten und unterstützen kann und, wenn das gelingt, nachhaltigere Entscheidungen trifft. Und das Zusammenarbeiten kann man zu einem guten Stück auch lernen – das ist ja die Idee hinter wir-kooperieren. Das bewusste sich Einlassen auf die Zusammenarbeit ist ein großes und sehr schönes Lernfeld, das man überall anwenden kann – sogar in der Beziehung zu seinem Lebenspartner und den Kindern.

Mit einem anderen Projekt Kulturland Genossenschaft organisieren sie Gemeinschaftseigentum an Grund und Boden für die bäuerlich geführte ökologische Landwirtschaft. Privatpersonen können z.B. für den Gegenwert von 5.000€ Genossenschaftsanteile kaufen und erwerben damit 2.000 m² Land, das wiederum von einem der neuen Höfe im Programm bewirtschaftet wird. Die Mitgliederzahl konnte im letzten Jahr verdoppelt werden, die Einlagen verdreifacht. Was ist Ihre Vision für dieses Projekt?

SI: Das Schöne an dem Projekt, bei dem die Schweisfurth Stiftung auch beteiligt ist,  besteht aus meiner Sicht darin, dass ein besserer Umgang mit den explodierenden Pacht- und Bodenpreisen möglich ist, wenn sich Konsumenten und Biobauern stärker vernetzen. Bürger mit etwas Geld auf dem Konto investieren einen Teil davon in die Landsicherung für Höfe, deren Arbeit sie unterstützenswert finden. Das ist ab 500 € möglich und nach oben unbegrenzt. Dabei kann das entstehen, was ich bereits vorhin angedeutet habe: Beziehung und eine Art Partnerschaft von Bürgern mit Landwirten. Je regionaler es stattfindet, umso besser. Modelle wie dieses sollten noch sehr stark verbreitet werden: Sie dienen den Bauern und den Bürgern, denn sie sichern das Land für Höfe und sind dabei eine durchaus sichere Geldanlage.
Die gemeinsame Sicherung von Land für regional eingebundene Biobauern ist eine der wichtigen Voraussetzungen, um eine neue Agrarkultur zu ermöglichen, die diesen Namen wieder verdient.

Die Bundestagswahl liegt gerade hinter uns, welches Gesetz wünschen Sie sich von der nächsten Bundesregierung?

SI: Ich könnte da ein ganzes Bündel von Gesetzen vorschlagen, bleibe aber mal beim Thema Transparenz. Wenn wir bei allem was wir einkaufen wüssten, wo und wie es entstanden ist, könnte sich nach und nach etwas verändern. Über das Internet wäre das doch leicht möglich, man müsste eben die passenden Methoden entwickeln. Ebenso dürften keine irreführenden Angaben und unzutreffenden Bilder gemacht werden. Und weiter gedacht: Wir Bürger müssten in alle notwendigen staatlichen Informationen, abgesehen von persönlichen Daten, einblicken können. Ist es nicht absolut verrückt, wenn die europäische Zulassungsbehörde zustimmt, dass Glyphosat [Anmerkung der Redaktion: Derzeit ist der Film Roundup, der Prozess online abrufbar] aufgrund geheim gehaltener, firmeneigener Untersuchungsergebnisse von Monsanto zugelassen werden kann? Wir öffnen damit Lobbyismus und Bestechlichkeit Tür und Tor und schaffen die totale Intransparenz! Ich denke, wenn man das Thema Transparenz durch entsprechende Gesetzgebung ernsthaft angeht und zudem mehr Volksabstimmungen in Bund und EU erlaubt, entsteht mehr Mündigkeit der Bürger und die Politikverdrossenheit geht zurück.
Ergebnis dieses Vorgehens wären mit hoher Wahrscheinlichkeit bessere, regionalere und vor allem nachhaltigere Produkte. Und ein wichtiger Schritt in Richtung Sicherung einer gutenLandwirtschaft sowie nachhaltigen Ernährungskultur, welche immer mehr Konsumenten wollen. Also alles Themen, für die sich auch die Schweisfurth Stiftung mit großer Kraft einsetzt.

Vielen Dank, Herr Illi!

 

Stephan Illi
ist Berater für Kooperationen und Organisationsentwicklung sowie Projektleiter von wir-kooperieren.org. Der studierte Agraringenieur war sieben Jahre lang geschäftsführender Vorstand im Demeter Bundesverband in Darmstadt. Zuvor war er 13 Jahre als Geschäftsführer der Demeter Milchbauerngemeinschaft und Demeter Erzeugerberater in Bayern mit dem Schwerpunkt Umstellungsberatung tätig. Er lebt in Prien am Chiemsee.

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