Was bedeutet eigentlich „enkeltaugliche Landwirtschaft“?

Prof. Franz-Theo Gottwald erläutert im aktuellen Messemagazin zu den Bio-Regionalmessen die Hintergründe der Kampagne „Ackergifte? Nein Danke!“. Im ausführlichen Interview geht er auf das Konzept der enkeltauglichen Landwirtschaft ein: „Enkeltauglich muss nicht zwangsläufig exakt dem entsprechen, was heute als EU Bio oder Verbands-Bio festgezurrt ist. Es sind durchaus weitere Formen denkbar, beispielsweise Permakultur oder indigene Formen der Bewirtschaftung, wie es sie in kleinbäuerlichen Landwirtschaften auf anderen Kontinenten gibt.“ Sowohl ökologische als auch konventionelle Landwirte seien dazu aufgerufen, den Blick über den Tellerrand zu wagen und in einem sachorientierten Dialog eine zukunftsfähigen Landwirtschaft zu erarbeiten.

Der Umgang mit Böden, Pflanzen und Tieren aus ethischer Perspektive, die Mechanismen der Saatgut-Unternehmen und die Auswirkung neuer Technologien (Stichwort: Digitalisierung) auf die Landwirtschaft werden im Interview ebenfalls thematisiert.

Ist eine Koexistenz von konventioneller und Bio-Landwirtschaft möglich? Welche Herausforderungen bringt die rapide Entwicklung der Bioökonomie mit sich? Welche Rolle spielt der Verbraucher bei der Transformation der Landwirtschaft? Antworten auf diese, und weitere Fragen, lesen Sie hier:

 

Garteln in der Stadt: Interview mit Britta-Marei Lanzenberger

Die Gartensaison 2016 hat begonnen! Rund 50.000 Münchnerinnen und Münchner garteln in den unterschiedlichen gemeinschaftlich organisierten Urbanen Gärten. Aktuell werden Samen und Setzlinge getauscht und neue Pflanzen gezogen. Wir haben zu Saisonbeginn mit Britta-Marei Lanzenberger gesprochen, die das Projekt Urbane Gärten München koordiniert, welches u.a. durch die Schweisfurth Stiftung gefördert wird.

Schweisfurth Stiftung: Das „Netzwerk Urbane Gärten München“ wurde 2011 initiiert. Was war der Anlass für die Gründung der Initiative?

Britta-Marei Lanzenberger: Die BürgerStiftung München hatte damals festgestellt, dass sowohl sie, als auch die Selbach-Umwelt-Stiftung, teilweise in Kooperation mit dem Referat für Umwelt und Gesundheit, Schulgärten gefördert hatte. Gleichzeitig förderte die BürgerStiftung gemeinsam mit der anstiftung & ertomis einen interkulturellen Garten in München. Da der Stiftungszweck teilweise inhaltlich mit der Schweisfurth Stiftung und der Gregor Louisoder Umweltsstiftung übereinstimmte, bot es sich an, diese Überschneidungen auch durch eine gemeinsame Förderung zu einem größeren Schwerpunkt zusammenzubinden. Dieser ist die Förderung von Urbanen Gärten in München. Dazu gehört Öffentlichkeitsarbeit, politische Arbeit, Netzwerkarbeit und Bildungsarbeit.

Was konnte in den vergangenen fünf Jahren durch die Arbeit des Netzwerks erreicht werden?  

Es wurde eine Webseite erstellt, die alle Informationen zu Urbanen Gärten enthält. Es gab eine Recherche als Bestandsaufnahme aller Gärten in München – also Urbane Gärten, Schulgärten, therapeutische Gärten, Kleingärten, Krautgärten, deren Standorte auf einer differenzierten Karte auf der Webseite dargestellt wurde. Es wurden und werden Treffen und runde Tische mit den verschiedenen Gartengruppen organisiert; jährlich zwei Netzwerktreffen, zu denen alle Gärten eingeladen werden. Ein Kongress in der Technischen Universität München zum Thema und seine vielen ökologischen, sozialen und Bildungs- und Klimafunktionen fand großen Anklang. Als größtes Problem in München stellt sich nach wie vor die Frage nach Flächen, es gibt mehr Nachfrage als Angebot. Ein Gespräch mit der Stadtbaurätin wurde gesucht, verschiedene Referate eingebunden, ein Ansprechpartner gefunden. Das Netzwerk präsentiert sich und die Gärten regelmäßig auf öffentlichen Veranstaltungen, wie dem Saatgutfestival, dem Streetlife Festival oder dem PARKing Day. Es ist wichtig, der Öffentlichkeit aufzuzeigen, wie viele Gärten es in München gibt und welche Aufgaben sie haben. Dazu haben wir einen Strukturplan erstellt, der die Bedeutung von Gärten in der Stadt aufzeigt.

Wo sehen Sie aktuelle und zukünftige Herausforderungen für das „Netzwerk Urbane Gärten München“? 

Die größte Herausforderung ist die zunehmende Verdichtung der Stadt. Grundstücke werden immer rarer und teurer. Es geht dabei ja nicht nur um Flächen zum gemeinsamen Gärtnern sondern um Freiflächen überhaupt. Freiflächen bedeutet für uns eben nicht nur professionell gestaltete Flächen zur vorgeschrieben Nutzung sondern ungestaltete Flächen, die den BürgerInnen zur Verfügung stehen, um sie selber nach ihren Wünschen und Bedürfnissen völlig frei zu gestalten – oder vielleicht gar nicht gestalten – zu können. Um dieser Forderung Nachdruck zu geben, müssten sich aber die GärtnerInnen zusammenschließen und ihr Tun als gesellschaftlich-politische Handlung wahrnehmen. Das ist leider bisher kaum der Fall. Da wir in einer konsumorientierten Wohlstandgesellschaft leben, haben wir nicht wie in anderen Ländern (z.B. Kuba) den Druck, uns selber um die Herkunft von unseren Lebensmitteln zu kümmern. Das Gärtnern ist eine Art Luxusbeschäftigung. Wie wichtig diese Beschäftigung aber für unsere seelische Gesundheit ist, erkennen erst ganz wenige Menschen.

Was würden Sie sich wünschen? 

Ich wünsche mir, dass die Bedeutung und die positiven Einflüsse von Urbanen Gärten von der Stadtpolitik mehr wahrgenommen und anerkannt werden. Gartenflächen dürfen nicht als Konkurrenz zu Bauflächen wahrgenommen werden. Von den einzelnen Gärten – also den Gärtnerinnen und Gärtnern – wünsche ich mir, dass sie selber mehr über ihre Beetränder hinausschauen und ihr Tun – wie schon oben genannt – als gesellschaftlich wichtigen Beitrag erkennen. Dazu gehört auch mehr Vernetzung und Zusammenhalt untereinander.

Mit welchen Problemen sind die Gärtnerinnen und Gärtner, sowie die Gärten an sich, konfrontiert? Gibt es Vandalismus oder Diebstahl?  

Erfahrungsgemäß gibt es die größten Probleme innerhalb der Gartengruppen – da sind immer Menschen, die sehr aktiv sind und viel für die Gemeinschaft tun, und solche, die sich weniger engagieren und vielleicht nicht so gemeinschaftsorientiert handeln. Häufig sind die Hauptverantwortlichen überfordert und ziehen sich irgendwann zurück. Wenn es einen starken Wechsel bei den GärtnerInnen gibt, ist es schwierig, die Gruppe aufrecht zu erhalten und die neuen immer wieder einzubinden. Es gibt auch Fälle von Diebstahl, das kommt auch auf die Lage und Gestaltung der Gärten an. Man muss damit rechnen, dass mal ein Kohlkopf geklaut wird – bei uns waren es letztes Jahr allerdings alle 10 auf einen Schlag, das ist dann schon ärgerlich. Vandalismus ist glücklicherweise sehr selten.

Wie kann der interessierte Münchner Bürger mitgärtnern oder selbst einen Garten im urbanen Raum gründen? An wen kann ich mich wenden, wenn ich aktiv werden möchte?

Am besten auf unserer Webseite informieren. Da sind alle Gärten mit Ansprechpartner aufgelistet und beschrieben. Ein Garten sollte möglichst in der Nähe der Wohnung liegen oder auf dem Weg zum Arbeitsplatz, sonst geht die Lust daran schnell verloren. Dann sollte man prüfen, ob einem der Garten, das Konzept und die Menschen dort ansprechen. Möchte man selber einen Garten gründen, sollte eine Fläche vorhanden sein und möglichst auch Mitmacherinnen. Konkrete Unterstützung bei Gründung und Umsetzung gibt die anstiftung.

Welche Veranstaltungen und Aktionen sind vom Netzwerk in diesem Jahr geplant?  

Am 26.6.2016 ist Tag der Offenen Gartentür, an dem sich einige Gärten in München beteiligen. Am 17.7.2016 wird es eine Fahrradtour durch die Urbanen Gärten im Osten von München geben. Im September werden wir wieder am Streetlifefestival teilnehmen. Und am 11. November 2016 findet wieder unser Netzwerktreffen statt.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Britta-Marei-Lanzenberger
betreut seit Mai 2014 das Projekt „Netzwerk Urbane Gärten München“ und engagiert sich selbst im WerkBox³-Kultgarten. Das Netzwerk-Projekt geht auf eine Initiative von fünf Stiftungen, darunter die Schweisfurth Stiftung, im Jahr 2011 zurück. Es wird zudem durch das Münchner Referat für Gesundheit und Umwelt gefördert. Mehr Informationen zur Münchner Stiftungsinitiative für Urbanes Gärtnern finden Sie in unserer Projektbeschreibung.

Zum anschaun und mitmachen:

Großstadtgärtner in der BR-Mediathek: Ein Film von Julia Seidl
Einladung zur Webinar-Reihe der anstiftung: Kompost- und Trockentrenntoiletten für Gemeinschaftsgärten