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Öko-Junglandwirte-Tagung – jetzt anmelden!

Vorträge, Seminare, Workshops und Exkursionen – das Programm für die nächste Tagung der Öko-Junglandwirt:innen vom 10.-12. November 2023 in Fulda steht. Es verspricht spannende Vorträge, neue Ideen, Raum für Diskussion und unsere beliebten Thementische. Interesse? Das Programm der 17. Öko-Junglandwirt:innen-Tagung mit dem Thema Herausforderung: Öko-Land-Wirtschaft ist online. Eine Anmeldungen ist ab sofort über die Website des Öko-Junglandwirte-Netzwerks oder diesen Link möglich.

Sowohl ökologisch und sozial als auch wirtschaftlich begegnen Öko-(Jung)Landwirt:innen vielseitige Herausforderungen. Durch Generationenwechsel auf den Bio-Höfen denken junge oder angehende Landwirt:innen die Betriebe neu: Wie sollen die Höfe der Zukunft aussehen – und was sind die aktuellen Herausforderungen des Ökolandbaus sowie mögliche Lösungswege?

Damit eine ökologische Bodenbearbeitung und artgerechte Nutztierhaltung langfristig realistisch bleiben, ist nicht nur das Fachliche essentiell:

Wie kann das Leben auf dem Land sozial und fair für alle gestaltet werden, so dass sich niemand aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe etc. diskriminiert fühlt? Wie können Flächen für den Ökolandbau gesichert werden und die Landwirt:innen gut von ihrer Arbeit leben?

Wann rechnet sich der Ökolandbau wirtschaftlich – was fehlt an strukturellen Rahmenbedingungen, so dass die „wahren Kosten“ gedeckt werden können? Brauchen wir ein neues Narrativ, um die ökologischen Erzeugnisse besser vermarkten zu können?

Mehr zum Öko-Junglandwirte-Netzwerk, für das die Schweisfurth Stiftung als Trägerin fungiert, sind hier zu finden.

Junglandwirtin übernimmt!

Für die studierte Landwirtin Anna-Maria ist seit ihrem 14. Lebensjahr klar, dass sie auf dem elterlichen Biohof bleibt & Betriebsleitung wird.

Josef und Brigitte Bissinger betreiben in dritter Generation einen Milchviehhof in Mertingen nördlich von Augsburg. Seit 2015 arbeiten sie ökologisch, neben der Viehhaltung bauen sie Zuckerrüben und Dinkel an. Josef und Brigitte haben 55 Milchkühe, drei Schafe und: vier Kinder. Eines davon – Anna-Maria (26) wird den Hof übernehmen. Nora Klopp, Projektmanagerin der Schweisfurth Stiftung, hat die zukünftige Betriebsleiterin und ihre Eltern zur anstehenden Hofübergabe vor Ort interviewt.

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Josef und Brigitte, Ihr wollt in zwei Jahren euren Hof an Anna-Maria übergeben. War das immer so geplant?

Brigitte: Wir haben vier Kinder, aber es war immer die Anna-Maria, die mit dem Josef draußen war. Sie hat die Landwirtschaft geliebt, sie hat die Tierhaltung geliebt, die Natur – alles! Als wir dann die Kinder gefragt haben, war es klar: Anna-Maria will den Hof übernehmen. Die Geschwister waren einverstanden, sie haben andere Interessen.

Anna-Maria: Ich war bei der Entscheidung etwa 14 Jahre alt. Als Kindergärtnerin oder Krankenschwester, da wäre ich den ganzen Tag drinnen, das ist nicht meins. Hier auf dem Hof bin ich draußen und kann machen, was ich will.

Was nimmst du von deinen Eltern mit, Anna-Maria, und was planst du anders zu machen?

Anna-Maria: Ich übernehme natürlich die ganze Basis, was meine Eltern aufgebaut haben. Die will ich ja auch nicht von jetzt auf Morgen kaputt bzw. alles komplett neu machen. Denn es ist ja gut, was jetzt da ist. Aber ich will auch vieles anders machen. Ich möchte einen vielfältigen Hof mit vielen Standbeinen. Weidetiere ja, aber auch Schweine, die die Gemüseabfälle fressen. Es soll ein Kreislauf entstehen und alles, was hier produziert wird, bestmöglich genutzt werden. Wenn ich den Milchbetrieb als Haupterwerb aufgeben möchte, muss ich mehr Ackerbau betreiben, mehr Früchte anbauen. Eine Idee ist, Rote Bete und Meerrettich für Aufstriche anzubauen, die ich dann über eine mobile Käserei vor Ort verarbeiten lassen kann.

Brigitte, Josef, wie seht Ihr die Übergabe an Eure Tochter?

Josef: Grundsätzlich bin ich wie alle Eltern stolz, eine Nachfolgerin zu haben, die das machen will und mit Tatendrang dabei ist. Man kann sich nichts Besseres wünschen. Wenn ein Hof weitergeht, ist das was ganz anderes, als wenn man weiß: jetzt hört er irgendwann auf. Anna-Maria kann ihn gestalten, wie sie es für richtig empfindet. Da muss ich jetzt zurückstehen, denn es hilft ja nicht, wenn ich immer sage: Jetzt machst Du das so oder so. Jeder muss seine Erfahrungen sammeln.

Brigitte: Ich bin ganz stolz, dass sie das macht. Wir haben jetzt 30 Jahre auf dem Hof gearbeitet und dann es ist wirklich eine Wertschätzung, wenn der Hof weitergeführt wird, egal in welche Richtung.

Was sind die Herausforderungen für die Übergabe?

Brigitte: Ich bin bei der Übergabe 55 Jahre alt und möchte und muss weiterarbeiten entweder hier oder woanders. Wir bekommen ja noch keine Rente. Ich möchte keine Existenzängste haben. In welche Richtung der Betrieb geht, das muss Anna-Maria wissen. Aber es muss eben so sein, dass wir abgesichert sind.

Josef: In der Landwirtschaft nagst Du mit der Rente am Hungertuch. Der, der übernimmt, muss die deshalb die finanzielle Verantwortung für die alte Generation übernehmen. Das hat aber auch Vorteile, wenn man als Betriebsübernehmender dann noch jemanden hat, den man wenn nötig um Rat fragen kann.

Ich bin auf jeden Fall dafür, dass wir uns noch mal gemeinsam beraten lassen, besonders zu finanziellen und steuerlichen Themen. Wie machen wir das am Geschicktesten? Es ist nicht damit getan, dass wir sagen, wir übergeben jetzt und damit ist gut.

Brigitte: Es braucht da aber auch ein wenig Vertrauen, alles kann man nicht im Vornherein regeln.

Anna-Maria – welche Herausforderungen siehst du darüber hinaus?

Anna-Maria: Also für mich ist auch das Thema Gender ein Thema. Ich muss mich als weibliche Betriebsleitung viel mehr unter Kolleg:innen beweisen als mein Vater das musste. Mit mir wird nicht so gesprochen, wie mit meinem Papa. Das fängt schon beim Traktorfahren an. Bei den Männern wird grundlegend davon ausgegangen, dass sie Bulldog fahren können. Das mache ich auch, und dann schauen die Kollegen total überrascht, gerade, wenn ich den größten fahre.

Und wenn ich im Studium mit einem männlichen Kollegen rede, z. B. über Bodenbearbeitung, dann redet er mit dem Nachbarn im Detail darüber und mit mir nur oberflächlich. Als ob wir Frauen das fachlich nicht wissen würden. Das ist auf allen Ebenen so – ich muss mich da echt anders behaupten als Frau.

Was würdet ihr anderen Betrieben mitgeben, die eine Hofübergabe planen?

Josef: Ganz spontan: Man muss in die nächste Generation Vertrauen haben. Das ist schon mal der Grundsatz. Dann ist man selbst auch ruhiger. Und es braucht gegenseitige Akzeptanz. Ein guter Umgang ist wichtig. Wenn die Chemie nicht passt, ist das ganz schlecht. Die passt bei uns, sage ich mal. Und als Abgebender muss man auch bereit sein, zurückzustecken. Ich persönlich bin ja froh, wenn ich Verantwortung abgeben und verlagern kann. Und wenn das dann nicht so abrupt ist, von heute auf Morgen, dann passt das schon!

Wenn es jemand anders wäre, als meine Tochter, der ich den Betrieb übergeben würde, wäre es um einiges schwieriger. Man kennt die Leute dann nicht so lange und nicht so gut. Aber auch hier ist das Vertrauen wichtig. Manchmal trifft man jemanden und hat gleich das Gefühlt, dass man die Person versteht und kennt. Und dann geht es sicherlich leichter.

Anna-Maria: Wenn es keine familieninterne Übergabe ist, dann muss man noch offener als abgebender Betriebsleiter sein und den jungen Leuten etwas zutrauen. Die Übergabe muss gewollt sein, aber wenn es nicht geht, muss man das auch akzeptieren – zu sich stehen, sich nicht verbiegen. Und wenn es harmonisch nicht geht, braucht man einen Plan B.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Anna-Maria engagiert sich seit 2021 aktiv im Öko-Junglandwirte-Netzwerk – ihr Fokus liegt auf der Organisation des Kontaktforums Hofnachfolge.

Authentizität im Ökolandbau – Bericht zur Öko-Junglandwirte-Tagung

Ein Gastbeitrag von Charlotte Schilling & Aila von Rohden (Öko-Junglandwirt*innen-Netzwerk)

Neugierig, ehrlich, entspannt, überrascht, kritisch, zurückhaltend, aufgeregt, spaßig und am Sonntagmorgen auch müde – die Teilnehmer*innen der 16. Öko-Junglandwirt*innen-Tagung fanden viele Worte, um die Stimmung in der Jugendherberge in Fulda zu beschreiben. Hier versammelten sich vom 11. bis 13. November 180 Teilnehmer*innen und 20 Referent*innen, um sich gemeinsam dem Tagungsthema “Authentizität im Ökolandbau” zu widmen.

Die Journalistin Tanja Busse eröffnete die Tagung am Freitagabend mit einem Vortrag zu der Vielzahl an derzeitigen Krisen, die gemeinsam angepackt werden müssen. An diesen Weckruf knüpften  die Referent*innen aus Handel, Wissenschaft und landwirtschaftlicher Praxis mit ihren Vorträgen und Workshops am nächsten Tag an. Während sich am Samstag einige Junglandwirt*innen die Frage stellten, was sie selber eigentlich authentisch macht, setzten sich andere mit dem Wachstum des Bio-Großhandels auseinander. In etwas kleineren Gruppen fanden zudem Exkursionen statt: eine Exkursion zu einer Heutrocknung, die Einführung in die Futterbewertungsmethode Obsalim im Kuhstall vom Antoniushof (Fulda) und ebenso in Fulda die Besichtigung eines ambitionierten Biobetriebs mit Landwirtschaft, Verarbeitung und Gästehaus. Andere Teilnehmer*innen setzten sich vor Ort unter anderem mit der Jugendarbeit der Anbauverbände und einem Praktikerbericht über die handwerkliche Verarbeitung von Milch und Fleisch auseinander.

Für ausgelassene Stimmung  beim Kulturabend sorgte Matthias Stührwoldt, Biolandwirt und Autor aus Schleswig-Holstein, der die Teilnehmer*innen nach dem eindrucksvollen Tag mit seinen Hofgeschichten zum Lachen brachte. Sonntagfrüh ging es in kleinen Seminargruppen um die eigene Gesundheit und Lebensmittelqualität, um Geschlechtergerechtigkeit in der Landwirtschaft, um das Entdecken und Hinterfragen von gängigen Stereotypen, um Gentechnik, soziale Landwirtschaft und ökologische Weiterbildungsmöglichkeiten. So manche Diskussion aus den Seminaren wurde auch noch in der Kaffeepause weitergeführt.

Im Abschlussvortrag “Welternährung ökologisch! Eine Utopie oder realistische Notwendigkeit?” schlug Adrian Müller (Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau, FiBL Schweiz) erfolgreich den Bogen zum Eröffnungsvortrag (von Tanja Busse) und zeichnete ein Bild, wie Landwirtschaft aussehen kann, um den zu Beginn genannten Krisen erfolgreich begegnen zu können: weitgehend ökologisch, mit  Anpassung unserer Nutztierhaltung und der Reduktion von Lebensmittelverschwendung in unseren Breitengraden als zentralen Hebeln zur Sicherung der Welternährung.

“Bis nächstes Jahr” hieß es danach oft, während sich die Junglandwirt*innen nach dem Mittagessen voneinander verabschiedeten. “Die Beteiligung und die Begeisterung, die die Teilnehmer*innen dieses Jahr mitgebracht haben war wirklich klasse – sie haben uns wieder gezeigt, dass es ein großes Bedürfnis unter den Öko-Junglandwirt*innen gibt, sich zu vernetzen und auszutauschen. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen bei der nächsten Tagung” (Flavio Traxl, Öko-Junglandwirt*innen-Tagungsteam).

Junglandwirte auf der Suche nach einer Landwirtschaft, die verbindet

Seit Januar 2021 ist die Schweisfurth Stiftung neue Trägerin des Öko-Junglandwirte-Netzwerks. Gemeinsam organisierten sie die 15. Öko-Junglandwirte-Tagung im Oktober in Fulda. Knapp 90 Junglandwirt:innen folgten der Einladung und kehrten für ein Wochenende ihren Höfen den Rücken, um aktuelle, zukunftsweisende Themen für den Öko-Landbau zu diskutieren.

Einsatz für eine enkeltaugliche Landwirtschaft

Das Öko-Junglandwirte-Netzwerk hat sich bereits 2006 aus einer kleinen Gruppe von Schüler:innen der Fachschule für Ökologischen Landbau Kleve zusammengeschlossen und zählt heute bundesweit mehr als 2.500Interessierte. Gemeinsam wollen sie positive Veränderungen anstoßen, aktiv die Zukunft der Landwirtschaft mitgestalten und über aktuelle und kritische Themen des Ökolandbaus diskutieren. Der Austausch untereinander und die gegenseitige Beratung sind dabei wesentliche Elemente.

Netzwerk mit neuer Trägerschaft

Nach vielen Jahren der Trägerschaft durch die Stiftung Ökologischer Landbau (SÖL), die das Öko-Junglandwirte-Netzwerk mit viel Expertise und Engagement aufgebaut und begleitet hat, ist die Schweisfurth Stiftung seit Januar 2021 neue Trägerin. „Gerade im Bereich Netzwerkaufbau und -pflege hat die Schweisfurth Stiftung viel praktische Erfahrung – beste Voraussetzung also, um mit dem Öko-Junglandwirte-Netzwerk gemeinsam zu wachsen und sich weiter zu entwickeln“, kommentiert Dr. Niels Kohlschütter, Vorstand der Schweisfurth Stiftung.

Neue Wege der Solidarität zwischen Stadt und Land aufzeigen

Die jährliche Öko-Junglandwirte-Tagung, das Herzstück des Netzwerks, fand in 2021 vom 15. bis 17. Oktober unter dem Titel „Stadt – Land – Zukunft“ in Fulda statt und widmete sich der Frage, wie zwischen Landlust und Landfrust ein Miteinander von städtischen Verbraucher:innen und landwirtschaftlichen Betrieben gelingen kann.

Das ehrenamtliche Organisationsteam des Netzwerks und die Schweisfurth Stiftung stellten dafür ein abwechslungsreiches und informatives Programm mit Vorträgen, Workshops und Seminaren zusammen. 15 Referent:innen und mehr als acht Thementische von Teilnehmer:innen lieferten Input und Impulse für zahlreiche Diskussionen. Dabei wurde den rund 90 Tagungsgästen eine große Bandbreite an Themen angeboten: So ging es zum Beispiel um Regionalisierung und Digitalisierung in der Landwirtschaft, um regenerative und um soziale Landwirtschaft, um zukunftsfähige Dörfer und Solawi-Genossenschaften bis hin zu Wertschöpfungsketten und Wertschätzungspartnerschaften.

Spontan diskutierten und arbeiteten  einige Teilnehmenden und das Organisationsteam im Rahmen der Tagung auch einen Aufruf an die Verhandelnden der Ampel-Koalition aus. Darin forderten sie, dass weiterhin  Wahlfreiheit, Transparenz und Anwendung des Vorsorgeprinzips für neue gentechnische Verfahren gelten sollen. Kurz: genetisch veränderte Lebensmittel müssen auch weiterhin für die Verbraucher klar gekennzeichnet werden. „Das Engagement und Interesse der Junglandwirt:innen auf dieser Tagung ist immens – es endet sicher nicht am Rande des eigenen Hofes, sondern kennt fachlich und politisch keine Grenzen“, so Nora Klopp, Projektmanagerin der Schweisfurth Stiftung.

Zukunft gestalten durch Vernetzung und Austausch

Neben den Inhalten begeisterten auch das überverbandliche und überregionale Miteinander die Junglandwirt:innen. Neugier, Offenheit und Interesse prägten die Stimmung. Die Möglichkeit zum freien Austausch wurde auch 2021 wieder rege genutzt. Ein Feedback zur Tagung: „Ich nehme Motivation, Inspiration und Mut zu Kommunikation sowie dem Schaffen von Netzwerken auf diversen Ebenen mit und tolle, neue Kontakte.“

Dank an Öko-Anbau-Verbände und Sponsoren

Als Kooperationspartner engagierten sich bei der Tagung wie auch in den vergangenen Jahren die Öko-Anbauverbände Bioland, Demeter und Naturland. Wir bedanken uns außerdem bei den zahlreichen Sponsoren  der Tagung: Nur durch ihrer aller Unterstützung konnten die Kosten für die Teilnehmenden niedrig gehalten werden und so viele Interessierte die Angebote der Tagung wahrnehmen.

Nächster Termin: Die nächste, 16. Öko-Junglandwirte-Tagung findet vom 11.-13. November 2022 in Fulda statt. Anmeldung September 2022 auf der Website des Öko-Junglandwirte-Netzwerks.

Forschungsprojekt mehrWERT Öko-Milch+Fleisch

Bio-Milch und Bio-Fleisch gehören zusammen! Aktuell werden Milcherzeugung und Fleischerzeugung allerdings in der Regel nicht zusammengedacht. Die Konsequenz: Nur in wenigen Fällen können die männlichen Kälber aus Öko-Milchviehbetrieben im Öko-Sektor gehalten werden. Das Forschungsprojekt mehrWERT Öko-Milch+Fleisch, gefördert vom Bayerischen Staatministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, beschäftigt sich genau mit dieser Problematik. Das Forschungsziel: Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln, um Bio-Kälbern auch ein Bio-Leben zu ermöglichen. Durchgeführt wird das dreijährige Forschungsprojekt von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft und der Schweisfurth Stiftung.

Projektziel: Ein Bio-Leben für Bio-Kälber

Das Hauptziel des Forschungsprojektes ist es, Konzepte zu entwickeln, um mehr männliche Kälber aus ökologischer Produktion im Öko-Sektor zu halten sowie Möglichkeiten zur artgemäßen Aufzucht und der Vermarktung von Öko-Rindfleisch aufzuzeigen. Dazu ist das Projekt in drei Teilbereiche gegliedert: Im ersten Bereich liegt der Forschungsschwerpunkt auf der Analyse des Status Quo der Öko-Milchviehkälber und der Identifikation von Verbesserungspotenzialen. Dazu werden Daten von bayerischen Milchviehbetrieben erhoben und ausgewertet. Hauptverantwortlich ist dafür die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Im zweiten Forschungsbereich liegt der Fokus auf der ökonomischen Einordnung der Verfahren zur kuhgebundenen Kälberaufzucht. Im Rahmen dessen werden bei ca. 30 ausgewählten Betrieben die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der Umstellung auf kuhgebundenen Kälberaufzucht untersucht. Hier übernimmt die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft die Projektleitung. Der dritte Teilbereich umfasst den modellhaften Aufbau von neuen Wertschöpfungsketten für Milch und Fleisch aus kuhgebundener Kälberaufzucht. Diesen Forschungsschwerpunkt verantwortet die Schweisfurth Stiftung und bringt ihrer Erfahrung und Know-how aus dem Forschungsprojekt WertKalb und dem Stiftungsprojekt zur Kuhgebundenen Kälberaufzucht ein.

Projekthintergrund: Bio-Milch und Bio-Fleisch gehören zusammen

Die hohe Spezialisierung der Milchproduktion ist mit der Erzeugung „überschüssiger“ Kälber verbunden: Um Milch geben zu können, müssen Kühe immer wieder kalben. Aber nur wenige Jungtiere werden für die Nachzucht benötigt. Die aktuellen Preise für Kälber decken in der Regel nicht die Kosten, die ein/e Landwirt:in für eine tierwohlgerechte Aufzucht benötigen würde. Ein zentraler Grund dafür ist das starke Missverhältnis der Nachfrage nach Bio-Milch und Bio-Rindfleisch: Bio-Milch und -Milchprodukte sind seitens der Verbraucher:innen stark gefragt, Bio-Rindfleisch hingegen nur sehr wenig. Ulrich Mück, Demeter-Berater in Bayern, hat ausgerechnet, dass je Liter Milch etwa 25 Gramm Rindfleisch entstehen. Das heißt, für ein ausgewogenes Verhältnis von Milch und Fleisch müsste die derzeitige Nachfrage nach Bio-Rindfleisch stark steigen. Die Folge dieses Missverhältnisses: Der überwiegende Anteil der Kälber von Öko-Milchviehbetrieben wird an den konventionellen Viehhandel abgegeben und damit in eine weniger artgerechte Aufzucht. In der Verbreitung der kuhgebundenen Kälberaufzucht wird, neben der Steigerung des Tierwohls, auch das Potenzial gesehen der Erwartungen der Verbraucher:innen mehr zu entsprechen und damit den Absatz von Bio-Rindfleisch zu steigern und das Verhältnis von Milch und Fleisch wieder in eine bessere Balance zu bringen.

 

Biofach 2021: Impulse setzen, Wandel gestalten

„Shaping Transformation. Stronger. Together“ – das war das diesjährige Motto der Weltleitmesse Biofach, die in diesem Jahr statt im Nürnberger Messezentrum digital stattfand. Für einen Wandel, hin zu einer zukunftsfähigen Land-und Lebensmittelwirtschaft, engagiert sich die Schweisfurth Stiftung seit ihrer Gründung. Selbstverständlich also, dass sie als Impulsgeberin und Gestalterin einer öko-sozialen Agrarkultur mit einer Vielzahl an Projekten und Themen vertreten war – ein Rückblick: (c) BioThesis/Biofach

„Auch in diesem Jahr hat die Biofach gezeigt, dass es viele innovative und vielversprechende Handlungsansätze für die vielfältigen gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit gibt. Besonders begeistert hat mich Konstantin Schwemmlein, einer der diesjährigen Gewinner des Forschungspreises BioThesis“, resümiert Dr. Niels Kohlschütter, Vorstand der Schweisfurth Stiftung. Die Auszeichnung wird seit 2014 jährlich von der Schweisfurth Stiftung gemeinsam mit der Lebensbaum Stiftung, der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller sowie der Biofach für herausragende wissenschaftliche Abschlussarbeiten verliehen, die sich mit der Herstellung, Vermarktung oder Verarbeitung von Bio-Lebensmitteln auseinandersetzen. Konstantin Schwemmlein überzeugte die Jury mit seiner innovativen Idee die Blockchain Technologie[1] mit dem Biomarkt zu verbinden. Das Potenzial: Schaffung einer höheren Transparenz und Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette sowie das Sichtbarmachen sämtlicher produktbezogener Herstellungs- und Transportbedingungen. „Konstantin nimmt sich in seiner Bachelorarbeit einer zentralen Herausforderung an: Wie lässt sich der ökologische und soziale Mehrwert eines Bio-Produktes für Verbraucher:innen erkennbar und erlebbar machen? Mit der Blockchain Technologie hat er hier einen spannenden Ansatz entwickelt“, kommentiert Kohlschütter. Alle Preisträger:innen und Informationen zu den ausgezeichneten Abschlussarbeiten finden Sie hier.

Ökologische Agrarkultur voranbringen

Dass die Schweisfurth Stiftung sich für eine zukunftsfähige Land- und Lebensmittelwirtschaft einsetzt, zeigt sich neben der Förderung des Forschungspreise BioThesis, an den zahlreichen weiteren Vorträgen:

  • Saro Ratter, Projektmanager der Schweisfurth Stiftung, stellte gemeinsam mit der Bruderkalb Initiative Hohenlohe, den Demeter Milchbauern Süd w.V. und De Öko Melkburen GmbH Kriterien für kuhgebundene Kälberaufzucht vor. Ausführliche Informationen können der Pressemitteilung entnommen werden.
  • Außerdem beteiligte sich Dr. Niels Kohlschütter an der Diskussion des Bündnis für eine engeltaugliche Landwirtschaft über die im September 2020 veröffentlichte Studie Pestizid-Belastung in der Luft und welche konkreten Handlungsschritte jetzt folgen müssen.
  • Und auch das Projekt WERTvoll war auf dem Kongress vertreten. Konkret ging es um die Frage, wie Stadt-Land-Partnerschaften durch neue nachhaltige Produkte gestärkt werden können.

Vertreten mit dieser Themenvielfalt bestätigt die Schweisfurth Stiftung einmal mehr ihre Rolle als Impulsgeberin und Gestalterin einer zukunftsfähigen, ökologischen Agrarkultur.

[1] Die Blockchain-Technologie ermöglicht es mithilfe einer dezentralen, von vielen genutzten Datenbank, Daten fälschungssicher zu übermitteln.

Auf dem Foto v.l.n.r.: Dr. Niels Kohlschütter und Saro Ratter, beide Schweisfurth Stiftung

Vom Winde verweht! Ferntransport von Pestiziden in der Luft wissenschaftlich belegt

Der Verdacht steht schon länger im Raum, nun hat ihn eine Studie, die das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft zusammen mit dem Umweltinstitut München in Auftrag gegeben hat, eindeutig bestätigt: Pestizide sind überall in unserer Atemluft. In der Regel als Pestizid-Cocktail mit fünf bis über 30 Pestiziden. Von den in der Luft gefundenen Pestiziden sind 30 % nicht (mehr) zugelassen. Das ergab die Untersuchung von 163 Standorten in ganz Deutschland im Zeitraum von 2014 bis 2019. Die weitreichende Implikation: Die Ko-Existenz von Bio-Anbau und konventioneller Landbewirtschaftung ist grundsätzlich gefährdet. Gibt es kein entschlossenes, zeitnahes Handeln seitens der Politik, wird Bio ohne Kontamination langfristig eine Utopie.

Wichtige Pionierarbeit

Noch nie zuvor wurde in Deutschland der Pestizidgehalt der Luft so umfassend untersucht. Das alarmierende Ergebnis: An drei Viertel aller Untersuchungsstandorte konnten die WissenschaftlerInnen des Instituts TIEM (Team Integrierte Umweltüberwachung) mindestens fünf und bis über 30 Pestizide nachweisen – sowohl in der Stadt, auf dem Land und sogar in Naturschutzgebieten. Selbst auf der Spitze des Brockens in Mitten des Nationalparks Harz fanden die WissenschaftlerInnen 12 Pestizide. „Mit der Studie wurde wichtige Pionierarbeit geleistet. Sie liefert den wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Pestizide in allen Regionen Deutschlands und weit abseits der Ursprungs-Äcker nachweisbar sind“, kommentiert Dr. Niels Kohlschütter, Vorstand der Schweisfurth Stiftung und Mitglied im Vorstand des Bündnisses für eine enkeltaugliche Landwirtschaft.

Bio in Gefahr!

Die Ergebnisse der Studie zur Pestizid-Belastung der Luft hat weitreichende Implikationen für die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft: Die Pestizide gelangen über die Luft auch auf die Äcker von Bäuerinnen und Bauern, die nach ökologischen Prinzipien arbeiten, d.h. naturverträglich und ohne den Einsatz synthetisch-chemischer Pestizide. „Immer wieder werden biologisch bewirtschaftete Äcker durch Ackergifte kontaminiert, ganze Ernten gehen so verloren“, erklärt Boris Frank, Vorsitzender des Bündnisses für eine enkeltaugliche Landwirtschaft.

Deshalb ruft das Bündnis die Bundesregierung auf umgehend zu handeln. Konkret fordern sie ein sofortiges Verbot der Ackergifte, die sich am stärksten verbreiten, u.a. Glyphosat, sowie eine stärkere Berücksichtigung des sogenannten Ferntransports von Pestizidwirkstoffen im europäischen Pestizid-Zulassungsverfahren. „Nur so erfüllt die Politik ihre staatliche Vorsorgepflicht gegenüber den Menschen und der Natur und ermöglicht die zukünftige Existenz und den Ausbau des von ihr selbst geforderten Öko-Landbaus. Die Ko-Existenz von ökologischem Anbau und konventioneller Landbewirtschaftung ist eine legitime Forderung und muss in Deutschland dauerhaft gewährleistet werden“, erläutert Kohlschütter.

Hier geht es zur Studie „Pestizid-Belastung der Luft“.

Weitere Informationen finden Sie zudem in der Pressemitteilung des Bündnisses für eine enkeltaugliche Landwirtschaft.

Ausführliche Informationen zu Methoden, Studiendesign und dem in der Studie angewendeten Citizen Science Ansatz gibt es hier zum Nachlesen.

Kuhgebundene Kälberaufzucht: Echtes Tierwohl von Anfang an!

In Deutschland werden jedes Jahr fast vier Millionen Kälber geboren. In der Regel werden sie kurz nach der Geburt von der Mutterkuh getrennt, denn die Tränke aus dem Nuckel-Eimer gilt als ökonomisch vorteilhafter als eine Aufzucht durch die Mutterkuh. Ein Ausleben von artgerechtem Verhalten wie Saugen am Euter und Ablecken des Kalbes durch die Kuh ist so nicht möglich.

Es geht auch artgerechter!

Eine tierfreundlichere Alternative zu den heute gängigen Tränke- und Aufzucht-Systemen von Kälbern ist die kuhgebundene Aufzucht. Dies bedeutet, dass die Kälber von der eigenen Mutter oder einer Ammenkuh gesäugt werden und täglich Kontakt mit erwachsenen Kühen haben. Studien zeigen, dass sich dies positiv auf Gesundheit, Entwicklung und Sozialverhalten der Kälber auswirkt. Dabei profitieren –  neben den Kälbern – auch die Landwirte: Sie berichten häufig, dass ihnen durch die kuhgebundene Kälberaufzucht die Arbeit mit den Tieren mehr Freude bereitet und die monotone Arbeiten der Eimertränke wegfallen.

Herausforderung für die Praxis

Trotz dieser Vorteile für Mensch und Tier wird die kuhgebundene Aufzucht nur von sehr wenigen Milchviehbetrieben praktiziert. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Zum einen sprechen wirtschaftliche Faktoren dagegen. So lange die Preise für Produkte aus dieser Haltungsform die höheren Kosten nicht decken, stellt dies eine Hürde für die Landwirte dar. Zum anderen fehlt es häufig an Wissen bei Praktikern, Fachberatern und Stallbauplanern wie eine kuhgebundene Kälberaufzucht praktisch umgesetzt werden kann.

Es gibt Handlungsbedarf!

Nur eine kuhgebundene Kälberhaltung ist mit den ethischen Grundsätzen der ökologischen Agrarkultur vereinbar. Deshalb setzt sich die Schweisfurth Stiftung aktiv für die Ausbreitung der kuhgebundenen Kälberhaltung ein. Im Rahmen des Projekts „Kuhgebundene Kälberaufzucht“ werden konkreten Lösungen zur Förderung dieser Haltungsform sowie deren Umsetzung in der Praxis erarbeitet. Maßnahmen sind die Organisation von Praxis-Dialogen mit interessierten Akteuren und die Präsentation des Themas auf Veranstaltungen. Auf diese Weise wird der Erfahrungsaustausch und der Wissenstransfer zwischen Milchviehalten, Wissenschaftler und potenziellen Marktpartnern gefördert.

Sie möchten das Projekt unterstützen? Hier finden Sie mehr Infos.

Kritischer Agrarbericht 2020: Nur gemeinsam gelingt die Transformation

Es braucht wieder mehr Solidarität zwischen Stadt und Land, zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen, zwischen LandwirtInnen und VerbraucherInnen! Das fordert der kritische Agrarbericht 2020 mit seinem diesjährigen Schwerpunktthema „Stadt, Land – im Fluss“. Er wurde zum Auftakt der Internationalen Grünen Woche  in Berlin vom Agrarbündnis e.V.  vorgestellt. Dass die Agrarwende nur durch ein Miteinander gelingen kann, zeigt auch der von der Schweisfurth Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Öko-Institut e.V.  verfassten Beitrag.

In Maßen, nicht in Massen!

Für eine Ernährung mit weniger, dafür aber umwelt- und tiergerecht(er) produziertem Fleisch plädieren Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald, Vorstandsvorsitzender der Schweisfurth Stiftung, und Dr. Dietlinde Quack, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Öko-Instituts e.V., im Kapitel „In Maßen, nicht in Massen!“. Denn die dringend erforderliche Agrarwende ist nur mit einer Ernährungswende möglich. Dabei kommt den VerbraucherInnen eine wesentliche Rolle zu. Ihr Kassenbon kommt einem Stimmzettel gleich: Bei jedem Einkauf können sie wählen zwischen einem „Weiter so“ oder der notwendigen Transformation. Doch ohne, dass auch Politik und Handel Verantwortung übernehmen und sich entsprechend am Transformationsprozess beteiligen wird das Engagement der LandwirtInnen und der BürgerInnen nicht zu der erforderlichen Agrarwende führen. Es ist ohne Zweifel: Es gibt nicht den einen Akteur, vielmehr müssen viele unterschiedliche Akteure einbezogen werden und zusammenarbeiten, damit die Ernährungs- und Agrarwende gelingen kann. Die konkreten Gestaltungsansätze können Sie hier nachlesen.

Citizen Science: Gemeinsam die Verbreitung von Ackergiften erforschen

Um wissenschaftlich fundierte Ergebnisse zu erhalten, wird eine Reihe unterschiedlicher Methoden angewandt. Dies ist nur durch das umfassende Engagement Freiwilliger möglich.

„Mir ist es wichtig, durch wissenschaftliche Methoden Aufschluss über die weitreichende Belastung der Luft mit Pestiziden zu erhalten, was ich sonst nirgends erfahre.“ So begründet Marlene Hansen ihre Entscheidung, bei der Citizen Science-Studie zur Erforschung der Pestizidbelastung der Luft mitzuwirken.

Marlene, 39 Jahre alt und von Beruf Qualitäts- und Produktmanagerin, ist eine der 130 BürgerInnen, die sich bei dem Luftgüte-Monitoring zur Pestizidbelastung beteiligt – ohne deren Mitwirken die Durchführung der Studie gar nicht erst möglich wäre. Denn von April bis Herbst 2019 werden an über 125 verschiedenen Standorten Untersuchungen mit unterschiedlichen Forschungsmethoden durchgeführt. Die Herausforderung dabei: Wie kann die fachgerechte  Betreuung der vielen Standorte sichergestellt werden? – Nur durch das Engagement vieler Freiwilliger wie Marlene in Verbindung mit der professionellen Begleitung von Wissenschaftlern.

Umfassendste Pestizid-Abdrift-Studie der Bundesrepublik

Eine erste Studie (10.02.2019) kam zu dem alarmierenden Ergebnis, dass sich der Verdacht einer flächendeckenden Abdrift von Ackergiften über den Luftweg erhärtet.

Jetzt gilt es, diese These weiter wissenschaftlich zu validieren. Deshalb hat das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft eine Folgestudie in Auftrag gegeben. Diese wird von der Schweisfurth Stiftung gemeinsam mit dem Umweltinstitut München  und dem Forscherbüro TIEM Integrierte Umweltüberwachung GbR durchgeführt.

Um wissenschaftlich fundierte Ergebnisse zu erhalten, wird eine Reihe unterschiedlicher Methoden angewandt: Neben technischen Sammlern werden Baumrinden, Filtermatten aus Klimaanlagen und Bienenbrot auf Pestizid-Rückstände analysiert.

Insbesondere Letzteres ist ein wichtiger Indikator:  Bienenbrot unterliegt weniger Einflüssen durch die Biene als Honig. Deshalb ist es besonders dazu geeignet, um mögliche Pestizidrückstände in Pollen zu analysieren. Hier finden Sie weitere Informationen zum Thema Pestizide in der Luft.

Ackergifte kennen keine Grenzen

Übrigens: Das Bündnis gegen Ackergifte ist seit Juni diesen Jahres auch in Österreich aktiv. Der Bio-Pionier Sonnentor hat dort den Verein zur Förderung einer enkeltauglichen Umwelt in Österreich gegründet.


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Verdacht auf flächendeckende Abdrift von Ackergiften erhärtet

Alarmierende Ergebnisse: Neue Studie zeigt, dass die Ko-Existenz von biologischen und konventionellen Anbauverfahren gefährdet ist und offenbart damit, dass die Politik die staatliche Schutzverpflichtung gegenüber dem Öko-Landbau nicht einhält. Die ausführlichen Ergebnisse und weitreichenden Implikationen der Studie wurden auf der Biofach 2019 vom Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, das von der Schweisfurth Stiftung als Bündnispartner aktiv unterstützt wird, vorgestellt. Es ist die bisher größte Studie über die Luftverfrachtung von Ackergiften in Deutschland.

Rückstandfreies Bio – eine Utopie?

Hintergrund und Auslöser der Studie war die sogenannte „Urinale“, durchgeführt von der Bürgerinitiative Landwende von Oktober 2015 bis Januar 2016. Insgesamt 2011 Bürger*innen ließen ihren Urin auf Glyphosat untersuchen, die Hälfte der Teilnehmer*innen verzehrte überwiegend Lebensmittel aus ökologischem Anbau. In 99,6 Prozent der Proben war Glyphosat nachweisbar, dabei machte es fast keinen Unterschied, ob die Probanden sich konventionell ernährten oder nicht. Die Vermutung lag also nahe, dass sich konventionelle Ackergifte – entgegen der Auffassung der Industrie – über die Luft verbreiten und keineswegs vor ökologisch bewirtschafteten Flächen oder Biosphärenreservaten Halt machen. Dafür liefert die neue Studie nun wissenschaftliche Belege. Hier finden Sie weitere Fragen und Antworten zu Pestiziden in der Luft.

Mehr als 100 Pestizide nachgewiesen

Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft wollte mit der Baumrindenstudie, durchgeführt vom unabhängigen Institut TIEM integrierte Umweltüberwachung erstmalig die flächendeckende Verbreitung von Ackergiften durch die Luft ermitteln. Mittels eines Luftgüte-Rindenmonitorings wurde die Rinde von Bäumen an 47 Standorten deutschlandweit auf Pestizidrückstände untersucht: auch in Schutzgebieten, Bio-Anbauregionen und Innenstädten. Die Studie wies insgesamt 107 verschiedene Pestizide nach, zwei davon waren Ackergifte (DDT und Lindan), die seit Jahrzehnten nicht mehr eingesetzt werden. „Ein anschauliches Beispiel dafür, wie die Entscheidungen früherer Generationen sich noch lange auf die Zukunft auswirken“, kommentiert Niels Kohlschütter, Geschäftsführer der Schweisfurth Stiftung und Koordinator des Bündnisses für enkeltaugliche Landwirtschaft. Am weitesten verbreitet sind laut Studie Pestizide mit hohem Dampfdruck, wie Pendimethalin und Prosulfocarb.

Glyphosat – vom Winde verweht?

Brisantes Ergebnis ist auch, dass an über der Hälfte aller untersuchten Standorte Glyphosat nachgewiesen werden konnte. Dies ist insbesondere von entscheidender Bedeutung, da die Industrie eine Verbreitung des Pflanzenschutzmittels über den Luftpfad bislang negiert. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass „eine Verbreitung über die Luft als ein möglicher Expositionspfad von Glyphosat im Hinblick auf eine allgemeine Belastung nicht plausibel ausgeschlossen werden kann.“ Genau dies jedoch haben sowohl die deutschen als auch die europäischen Behörden im Zulassungsverfahren getan.

Nun ist die Politik gefragt

Mit dieser Studie ist die Bio-Branche in Vorleistung gegangen und liefert wissenschaftliche Belege dafür, dass die Luftverfrachtung von Ackergiften existiert. Für das Bündnis ist sie als enormer Erfolg zu werten, denn die Ergebnisse verleihen ihm eine starke politische Stimme. „Die Studie macht deutlich, dass die Ko-Existenz von Bio-Anbau und konventioneller Landbewirtschaftung grundsätzlich gefährdet ist und gibt uns eine neue Grundlage, um mit der Politik in Dialog zu treten. Die Ko-Existenz der beiden Anbauformen ist eine legitime Forderung und muss in Deutschland dauerhaft gewährleistet werden“, erläutert Kohlschütter die politischen Implikationen der Studie. „So geht es nicht weiter. Es geht an die Wurzel unserer Existenz und das, was wir unter Leben verstehen, wird durch die Ackergifte angegriffen,“ mahnt auch Johannes Heimrath von der Bürgerinitiative Landwende die Brisanz der Ergebnisse an. Zwei richtungsweisende Forderungen stellt das Bündnis an die Politik: Die Revision der europaweiten Zulassungsverfahren und die Aufnahme von Glyphosat und andere in der Studie auffälligen Pestizide als festen Bestandteil der regulären Immissionsüberwachung in Deutschland.

Anschlussstudie bereits geplant

Das Bündnis für enkeltaugliche Landwirtschaft hat bereits eine Folgestudie geplant, die mit drei weiteren Forschungsmethoden die These der Verbreitung von Pestiziden über den Luftweg untersucht. Im Rahmen des Citizen Science Projektes werden Bürger*innen bis Ende Februar 2019 dazu aufgerufen, sich an einem integrierten Monitoring zu beteiligen. Neben dem Baumrindenmonitoring ist beispielsweise die Installation von technischen Sammlern geplant. Ziel dabei ist es, die Bevölkerung miteinzubeziehen und den Staat mit dieser breiten Aktion auch auf seine Schutzverpflichtung aufmerksam zu machen: Die Existenz des Öko-Landbaus muss gesichert und rückstandfreies Bio in der Zukunft gewährleistet sein können.

Kritischer Agrarbericht 2019 – wichtige Impulse für anstehende EU-Agrarreform

Zum Auftakt der Internationalen Grünen Woche in Berlin stellte das AgrarBündnis, dem auch die Schweisfurth Stiftung angehört, am 17.01.2019 den Kritischen Agrarbericht 2019 vor. Im Jahr der Europawahl und anlässlich der anstehenden EU-Agrarreform präsentierte der Zusammenschluss von 25 unabhängigen Organisationen aus Landwirtschaft, Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz sowie Entwicklungspolitik seine Vision von einer „Landwirtschaft für Europa“, die auch den globalen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen entspricht. Neben Vorschlägen, wie die anstehende EU-Agrarreform dazu beitragen kann, diese zu verwirklichen, widmet sich das Jahrbuch auch aktuellen Themen wie der Digitalisierung der Landwirtschaft und der dahinterstehenden Macht der Konzerne, dem Ökologischen Landbau, der Bodenmarktpolitik oder den Auswirkungen der neuen Düngeverordnung.

EU-Agrarreform – mehr Zusammenhalt und ambitionierte Ermutigung in der Agrarpolitik

Bernd Voß von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Vorstandssprecher des Agrarbündnisses sprach sich auf der Pressekonferenz für eine starke Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) aus. „Eine starke EU-Politik unterstützt bäuerliche Betriebe und ländliche Gemeinden in einem vielfältigen, gemeinsamen Europa, die anstehenden Herausforderungen sowohl in der Tierhaltung als auch im Ackerbau, gezielt anzugehen. Hier stehen die Bauern und Bäuerinnen aktuell vor großen, teuren Veränderungen, um die gesellschaftlichen Erwartungen an Tierwohl, Umwelt-, Klimaschutz und Artenvielfalt auf ihren Höfen umzusetzen“, so Voss in seinem Appell an die Bundesregierung, sich auf EU-Ebene hierfür einzusetzen.

Die Zeit der Agrarchemie ist vorbei

Mit der GAP hätte die Europäische Union einen konkreten Maßnahmenkatalog, um den Schutz der Insekten zu verbessern und die Biodiversität auf den Agrarflächen wieder zu erhöhen. Martin Häusling, Mitglied des Europäischen Parlaments und Biomilchbauer in Nordhessen, stellt dazu in seinem Fachbeitrag im Kritischen Agrarbericht 2019 folgende Forderungen an die EU: Ähnlich dem Klimaabkommen von Paris ist ein internationales Abkommen zum Pestizidausstieg und ein Einstieg in agrarökologische Systeme unumgänglich. Denn die Grundlagen eines auf intensivem Pestizideinsatz basierenden Anbausystems sind Züchtung auf Hochertrag und dem vermehrten Anbau von Monokulturen, sowie intensive Stickstoffdüngung und enge Fruchtfolgen. Trotz zunehmender Zweifel aus der Wissenschaft wird jedoch am Pestizideinsatz festgehalten – mit Folgen für Mensch, Natur und Umwelt.  Ökobetriebe, die schon ohne Pestizide und mit stabileren Systemen arbeiten, werden bei ihrer Produktion massiv beeinträchtigt, da abdriftende Pestizide ihre Ernten verkaufsunfähig machen. Laut Häuslings Artikel gibt es die Koexistenz konventioneller und ökologischer Anbausysteme nicht wirklich – und wenn, dann nur zum Nachteil der Ökobauern.

Ackergifte kennen keine Grenzen

Die Problematiken des Nebeneinanders von pestizidfreiem Ökolandbau und des von Ackergiften abhängigen konventionellen Anbausystems nimmt eine Studie in den Fokus, die von dem Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft e.V., initiiert wurde. Mit dabei sind 30 Biofirmen, die Bürgerinitiative Landwende und die Schweisfurth Stiftung. Im Kritischen Agrarbericht 2019 skizzieren Dr. Niels Kohlschütter, Geschäftsführer und Johanna Bär, Projektmanagerin bei der Schweisfurth Stiftung die Studie, die mittels Luftgüte-Rindenmonitoring von Bäumen an bundesweit unterschiedlichen Standorten auf Luftschadstoffe untersucht wurden. Eine erste Pilotstudie des Bündnisses hat gezeigt, dass Ackergifte –auch über ökologisch bewirtschaftete Flächen hinweg– bis in die Städte verweht werden.

Bioökonomie vs. Agrarkultur

In seinem Beitrag im Kritischen Agrarbericht 2019 geht Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald, Vorstand der Schweisfurth Stiftung, der Frage nach: Agrarkultur oder Bioökonomie?   Er stellt die beiden kontroversen Leitbilder gegenüber und kommt zu dem Fazit, dass sie nicht vereinbar sind. Seine Forderung an die Politik lautet, dass die zukünftige Agrarpolitik so zu gestalten ist, dass zumindest die Koexistenz beider Leitbilder ermöglicht und somit sichergestellt wird, dass die regionale Pluralität von agrarkulturellen, bäuerlichen Praxen – sprich die ökosoziale Agrarkultur – auch in Zukunft erhalten bleiben. Denn das Leitbild der Bioökonomie folgt dem Wachstumsparadigma und damit der Industrialisierung, verbunden mit Reduzierung echter Vielfalt.

Einige der Hauptgegensätze der beiden Leitbilder ökosoziale Agrarkultur und Bioökonomie beschreibt Gottwald in Stichpunkten so:

Lebendige Organismen versus Biomasse als Kernverständnis von Natur

Systementwicklung mit evolutionär angepasster versus Systematisierung mit beschleunigter Zeitökologie

Fortschrittskritische Positionen versus Intendierte Fortschrittsbeschleunigung

Weltweit einsetzbar versus Nur unter industriellen Bedingungen einsetzbar

Geringe Umweltrisiken versus Unbekannte Umweltrisiken

 

10 Argumente für Bio-Fleisch

Die Mehrzahl der deutschen Konsumenten wünscht sich laut Umfragen mehr Tierwohl für die in der Landwirtschaft gehaltenen Tiere. Viele wären sogar bereit, dafür mehr zu bezahlen. Doch die Verkaufszahlen sprechen eine andere Sprache: Noch immer stammen über 90 Prozent der in Deutschland verzehrten Fleisch- und Wurstwaren aus nicht tiergerechten, industriellen Haltungssystemen. Der Anteil von Bio-Schweinefleisch liegt bei knapp einem Prozent. Auch die Marktanteile von Geflügel- und Rindfleisch aus ökologischer Herkunft fallen kaum ins Gewicht.
Dabei bietet Bio viele Vorteile – nicht nur für die Tiere, sondern auch für Mensch und die Umwelt.

10 Gründe, warum Bio-Fleisch besser ist, finden Sie in unserem Dossier zur Bio-Tierhaltung.