Tomaten aus dem Hochhaus: Vertical Farming

Die schnell wachsende Weltbevölkerung braucht immer mehr Lebensmittel. Dabei werden Ackerflächen immer knapper − allein durch falsche Nutzung wie monokulturellen Anbau, Überweidung und zunehmende Versiegelung verliert die Menschheit jedes Jahr 24 Milliarden Tonnen fruchtbarer Böden. Auch Bauern gibt es immer weniger: Die Menschen zieht es vom Land in die Städte. Schätzungen zufolge werden im Jahr 2050 fast 80 Prozent der gesamten Weltbevölkerung in Städten leben. Wer wird dann die notwendigen Lebensmittel produzieren? Und wo?

Hochmoderne Gewächshäuser mitten in der Großstadt
Eine Lösung, die in jüngster Zeit verstärkt beforscht wird, ist das so genannte Vertical Farming, auf Deutsch: Vertikale Landwirtschaft. Die Idee dahinter: Wenn man in der Fläche nicht mehr Lebensmittel anbauen kann, weicht man in die Höhe aus. In Hochhauskomplexen (englisch: farmscrapers) können auf verschiedenen Etagen in geschlossenen Kreislaufsystemen Nahrungspflanzen wie Spinat, Kräuter, Auberginen, Tomaten, Mais, Salate, Kartoffeln und Karotten angebaut werden. Sie wachsen nicht auf Erde, sondern auf anorganischem Substrat wie in einem hochmodernen Gewächshaus. Künstliches Licht sorgt für gute Wachstumsbedingungen. In den unteren Etagen ist sogar Nutztierhaltung oder Aquakultur denkbar.

Gute Erträge mit wenig Wasser und Dünger
Vertical Farming bietet auf den ersten Blick vielfältige Vorteile gegenüber anderen Formen des Lebensmittelanbaus. In der vollständig kontrollierten Umgebung sind die Erzeuger von Jahreszeiten und Wetterverhältnissen unabhängig. Außerdem lassen sich neben Anbauflächen und Wasser auch große Mengen an Dünger und Pflanzenschutzmitteln einsparen. Durch die Produktion von Lebensmitteln direkt in der Stadt entfallen Transportkosten und –Emissionen. Hinzu kommen ausgezeichnete Erträge: Aufgrund der effizienten Bewässerungs-, Beleuchtungs- und Steuerungstechnologien können bis zu dreimal schnellere Ernten erzielt werden als mit konventionellen Anbaumethoden.

Gesunder Boden ist unersetzlich
Trotzdem können High-Tech-Gewächshäuser gesunde Bodenflächen nicht ersetzen. Schließlich ist intaktes Erdreich mehr als die Grundlage für Ackerbau. Es reguliert als wichtiger Kohlenstoffspeicher das Klima und sorgt mit seiner Filterfunktion dafür, dass aus Regenwasser wieder nutzbares Trinkwasser wird.

Komplex und Teuer
Auch wenn die technischen Möglichkeiten faszinierend sind, bietet Vertical Farming keine flächendeckende Lösung für die Welternährung. Hier werden Lebensmittel nicht mehr vom Bauern erzeugt, sondern von Ingenieurshand designt. Das notwendige Know-how und Equipment, die hohen Immobilienpreise in den urbanen Ballungszentren und der gigantische Energieaufwand machen diese Technologie sehr teuer.

Für Entwicklungsländer kaum geeignet
Länder, in denen Armut und Mangel an Lebensmitteln herrscht, können solche Projekte weder finanzieren noch die nötige Energieversorgung sicherstellen. Deshalb werden sie vom Vertical Farming kaum profitieren. Dabei besteht gerade in diesen Gebieten großer Bedarf an einer effizienteren Landwirtschaft. Kostengünstige Lösungen sind nötig, welche moderne und traditionelle Elemente der Lebensmittelherstellung verbinden. Nur so kann Hunger schnell, wirkungsvoll und unter Respektierung der Ernährungssouveränität von Land und Leuten bekämpft werden.

Spinat in Singapur, Buntbarsche in Berlin
Bisher stehen daher die meisten Vertical Farms in wirtschaftlich starken Metropolen. Seit 2012 züchtet die Firma Sky Greens in Singapur erfolgreich Spinat, Salate und anderes Blattgemüse in einer Vertical Farm. In Washington baut man derzeit an einer der größten Stadtfarmen weltweit. Und im Berliner Süden eröffnete ECF Farmsystems im Frühjahr 2015 auf einem ehemaligen Fabrikgelände die größte Vertical Farm Europas. Auf 1.800 Quadratmetern wachsen hier Gurken, Tomaten und Spinat. Das Besondere: Die Nährlösung, auf der das Gemüse wurzelt, stammt von Buntbarschen, die in dem gigantischen Gewächshaus für den Verzehr gezüchtet werden. Auf diese Weise können bis zu 90 Prozent Wasser eingespart werden.

Mini-Gemüsefarmen für Wohnung und Büro
Auch in München tut sich Einiges: Hier hat die Association for Vertical Farming ihren Sitz, die internationale Konferenzen organisiert, Netzwerke knüpft und als Think Tank fungiert. Das Münchner Start-Up agrilution hat einen plantCube entwickelt, eine etwa kühlschrankgroße Mini-Farm. Privathaushalte, Büros oder Gastronomen können sich mit dem Gemüseanbau-Würfel ganzjährig Kräuter und Salate selbst züchten. Einen grünen Daumen braucht man dafür nicht: Der plantCube funktioniert nahezu vollautomatisch. Die so erzeugten Lebensmittel, so das Versprechen von agrilution, erreichen aufgrund der idealen Wachstumsbedingungen „ein Optimum an Qualität, Geschmack und Nährstoffgehalt“. Bleibt abzuwarten, ob sich diese Form der Gemüsezucht durchsetzt − Vorbestellungen für den Pflanzenwürfel werden jedenfalls bereits entgegengenommen.

Mehr Infos zum Thema finden Sie hier:

Association for Vertical Farming in München: https://vertical-farming.net/
Einblicke in die grünen Hochhäuser von Spiegel TV auf Youtube oder im Futuremag von ARTE
Der Gemüseanbau der Zukunft: ARD-Film der Reihe W wie Wissen in der Mediathek.

Der Reichtum Afrikas – Vortrag mit Joseph Ngugi Mutura

Kenia hat annähernd 46 Millionen Einwohner, mehr als zwei Drittel von ihnen leben von der Landwirtschaft.  Doch durch den Klimawandel, ungebremstes Bevölkerungswachstum und die Stagnation der landwirtschaftlichen Produktivität sind viele Millionen Kenianer abhängig von Lebensmittelhilfen.
Dabei ist Afrika eigentlich ein unglaublich reicher Kontinent. Die eigenen Ressourcen müssen nur erkannt und nachhaltig genutzt werden – dies ist das Credo des SACDEP-Gründers Joseph Ngugi Mutura. Der Kenianer leitet seit 1992 das Sustainable Agriculture Community Development Programme SACDEP und schult Kleinbäuerinnen und Kleinbauern im organischen Landbau. Inzwischen können dank seines Projektes fast 70.000 Familien in Kenia auf eigenen Beinen stehen und mit ihrer Landwirtschaft für ihr Auskommen sorgen.

Am 20. April 2016 ist Joseph Ngugi Mutura zu Gast in München und berichtet aus erster Hand von den langjährigen Wasserversorgungsprojekten in Afrika, die er gemeinsam mit der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung und Lammsbräu betreibt. Er stellt sein erfolgreiches Konzept der Kleinbäuerinnenorganisation vor, das auf Selbsthilfegruppen und Ausbildung im organischen Landbau setzt.
Gemeinsam mit der basic AG, Neumarkter Lammsbräu und der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung lädt die Schweisfurth Stiftung am 20. April 2016 ins Kaufmanns-Casino München e.V. (Odeonsplatz 6) zu diesem exklusiven und spannenden Vortrag ein.
Die Teilnahme ist kostenlos. Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr, Einlass ist ab 18.30 Uhr.
Bitte melden Sie sich so bald wie möglich unter info@schweisfurth-stiftung.de oder 089/17 95 95 0 an, da die Teilnehmerzahl begrenzt ist.