Ausgezeichnete Alternativen zur industriellen Landwirtschaft im globalen Süden

Einmal mehr zeigen Praxisbeispiele, dass ökologische Agrarkultur einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Ernährungssicherung leistet. Die 15 Besten wurden als „ Outstanding Practice in Agroecology 2019“ geehrt. Die Auszeichnung wird von der Schweisfurth Stiftung gefördert.

Prof. Franz-Theo Gottwald, Vorstand der Schweisfurth Stiftung, kommentiert die Ehrung, die in Berlin anlässlich der Grünen Woche und des Global Forum for Food and Agriculture 2019 erstmalig erfolgte: „Um Hunger, soziale Ungleichheit, Klimawandel und den Verlust von Biodiversität erfolgreich anzugehen, ist eine Agrarwende zu nachhaltigen Nahrungs- und Landwirtschaftssystemen dringend nötig. Diese Auszeichnung wirft ein Schlaglicht auf Lösungen, die für die Menschen vor Ort wirklich funktionieren und stärkt diejenigen, die für die Nahrungssicherheit des globalen Südens verantwortlich sind: Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Die ‘Herausragenden Agrarökologischen Praktiken 2019’ haben einen direkten und greifbaren Effekt und wenn sie weiter verbreitet werden, können sie maßgeblich dazu beitragen, unsere Nahrungssysteme zu transformieren”.

 

Gottwald ist Aufsichtsratsvorsitzender der Hamburger Stiftung „World Future Council“, die die Auszeichnung zusammen mit TAGS (Technology for Agroecology in the Global South) zum ersten Mal vergeben hat.

Die Leuchtturmprojekte sind inspirierende Beispiele für Soziale Innovationen, für partizipative Prozesse und ökologische Landwirtschaft. Mehr über die Ehrung „Outstanding Practice in Agroecology, seine Initiatoren und die ausgezeichneten Projekte erfahren Sie hier.

100 %-Bio Gesetz in Sikkim als Vorbild für Staaten weltweit

Der Umstieg auf nachhaltige Ernährungssysteme ist eine der drängendsten Herausforderungen der globalen Gemeinschaft. Denn enkeltaugliche Agrarökologie ist der Schlüssel für Armutsbekämpfung, für die Minimierung des Klimawandels und den Erhalt von Biodiversität. Mit der Verleihung der Future Policy Awards 2018 unterstützt die Hamburger Stiftung World Future Council den globalen Wandel zu einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion. Der indische Bundesstaat Sikkim wurde am 15. Oktober 2018 als Gold-Preisträger ausgezeichnet.

Die Stiftung World Future Council (WFC) stellt die Interessen zukünftiger Generationen ins Zentrum von Politikgestaltung. Sie setzt sich für gesetzliche Rahmenbedingungen ein, die heutigen wie zukünftigen Generationen das Leben in einer gerechten und ökologisch intakten Welt ermöglichen. Die Schweisfurth Stiftung unterstützt den World Future Council als Netzwerkpartner. Dieses Jahr war unser Vorstand Prof. Franz-Theo Gottwald bei der Preisverleihung der Future Policy Awards in Rom dabei und diskutierte am Podium mit renommierten Agrarökologen aus aller Welt.
„Es hat sich gezeigt, dass in der gesamten Himalaya-Region das politische Interesse an organischem Landbau sehr groß ist“, so Prof. Gottwald, Vorstand der Schweisfurth Stiftung. Er ist überzeugt:„Sikkim wird Schule machen!“

Vorbildwirkung für nachhaltige Landwirtschaft

Der „Polit-Oscar“, der Future Policy Award (FPA), zeichnet Gesetze aus, die bessere Lebensbedingungen für heutige und zukünftige Generationen fördern. Mit der Identifikation und weltweiten Verbreitung der Best-Practice Beispiele, schafft der WFC eine Vorbildwirkung für andere und regt zum Nachahmen an. 2018 wurde der Preis wird in Kooperation mit der UNO-Ernährungsorganisation (FAO) und IFOAM – Organics International verliehen. Im Vorfeld wurden mehr als 20.000 Expertinnen und Experten zur Nominierung von vorbildlichen Lösungen aufgerufen. Insgesamt wurden 51 Gesetze aus 25 Ländern für den Preis nominiert; unter den Nominierungen befand sich kein Gesetz aus Deutschland.

Der indische Bundesstaat Sikkim, der diesjährige Gold-Preisträger, ist der erste 100%-Ökolandbau-Staat der Welt. Sikkims Ansatz geht jedoch weit über bloße Öko-Produktion hinaus und hat Land und Menschen nachhaltig verändert: Von der Umstellung auf 100% Bio hat das Land nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich und sozial enorm profitiert: Verbrauch und Wachstum, Gesundheit, Bildung, ländliche Entwicklung und nachhaltiger Tourismus spielen in dem Gesetz eine zentrale Rolle. Bemerkenswert ist das schrittweise Verbot von chemischen Düngemitteln und Pestiziden. Dieses wird mit Förderungen und Anreizen begleitet, um so nachhaltige Alternativen zu schaffen. Das Sikkim-Modell ist vorbildlich für die Stärkung von Agrarökologie in Regionen und Staaten weltweit.

Eine Dokumentation über den Bundesstaat Sikkim und seine 100%-Bio-Politik finden Sie in der ZDF Mediathek.

Die Silber-Preisträger 2018 sind:

  • Brasilien, Nationale Politik für Agrarökologie und Ökolandbau (PNAPO, 2012): In den ersten vier Jahren investierte PNAPO rund 364 Millionen Euro in agrarökologische Maßnahmen. Unter anderem wurden etwa 5.300 Gemeinden dabei unterstützt, mindestens 30% ihres Schulessenbudgets für den Einkauf von biologischen und agrarökologischen Produkten von Familienbetrieben aufzuwenden.
  • Dänemark, Nationaler Bio-Aktionsplan: Zusammenarbeiten für mehr Bio (2011-2020, aktualisiert 2015): Durch den Aktionsplan hat Dänemark heute den höchsten Marktanteil für ökologische Lebensmittel in der Welt und die höchsten jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben für Bio-Lebensmittel. 80% der Däninnen und Dänen kaufen Biolebensmittel.
  • Ecuador, Quitos partizipatives städtisches Landwirtschaftsprogramm (AGRUPAR, 2002): Zu den beeindruckenden Ergebnissen von AGRUPAR gehören u.a. mehr als 3.600 Stadtgärten, die insgesamt 32 Hektar umfassen, die mehr als 21.000 Menschen – 84% davon Frauen – die in der ökologischen Produktion geschult wurden und die jährliche Produktion von mehr als 870.000 kg Bio-Lebensmittel für die Stadt Quito.

Leuchtturmprojekt für urbane Agrikultur in Windhoek

Die namibianische Hauptstadt liegt im globalen Trend: Es wird erwartet, das sich die städtische Bevölkerung bis 2050 von 322.000 auf etwa 700.000 Menschen verdoppelt. Um die Ernährung der Einwohner heute und in Zukunft sicherzustellen, sieht das Projekt „Growing Food in Windhoek“ insbesondere die Regierung in der Pflicht an einer zukunftsfähigen urbanen Entwicklung mitzuwirken. Mit dem Unterzeichnen des Milan Urban Food Policy Pacts hat die Stadt ihre strategische Rolle in der Mitgestaltung anerkannt. Daran hat auch die von der Schweisfurth Stiftung geförderte Projektleiterin Ina Neuberger Wilkie, Senior Project Manager des World Future Councils, entscheidend mitgewirkt. Sie stellte am 2. April 2017 in Bregenz beim World Future Forum 2017 das erfolgreiche Projekt zur Bekämpfung von Hunger vor.

Eloolo Permaculture Initiative

Neben der Regierung, ist auch die Zivilgesellschaft in Windhoek in das Projekt einbezogen. Dem extremen Klima zum Trotz werden urbane Gärten angelegt, um Hunger, Unter- und Fehlernährung entgegenzuwirken. Dabei wird von den Gärtnern viel Geschick verlangt, denn die Anbauzeiträume sind kurz und müssen effizient gestaltet werden. Angewandt wird das Prinzip der Permakultur, das bereits Anfang der 70er Jahre von Bill Mollison und David Homgren insbesondere für trockene Landschaften entwickelt wurde. Dabei sollen Ökosysteme geschaffen werden, die die Diversität, Stabilität und Widerstandsfähigkeit von natürlichen Ökosystemen besitzen und so zeitlich unbegrenzt funktionieren. „Die Philosophie hinter Permakultur ist eine Philosophie, die mit und nicht gegen die Natur arbeitet.“, so Bill Mollison.

Reiche Ernte

Marula, Feigen, Papaya, Karee, Moringa, Tomaten, Zitronen, Mangold – die Früchte des Projekts wachsen. Neben der tatsächlichen Ernte werden best practice Beispiele und Know-How ausgetauscht, Stakeholder werden vernetzt und Lösungen in Workshops in Windhoek geteilt: im Grundschulgarten von Van Rhyn, auf lokalen Märkte wie dem Green Market, Okuryangava, Tukondejeni, The Organic Box und AMTA, in Management-Initiativen von Gärten und vielen mehr.